VORWORT

‚Das Leben will gelebt werden – das ist alles was es zu tun gibt‘ bemerkte die einstige First Lady der USA, Eleonor Roosevelt. Wer die Lust verspürt nachzuvollziehen, wie das in der Gegenwart glücken kann, der wende sich dem Leben und dem Werk der Schmuckkünstlerin und Heilerin Ulrike Hofmann-Schüll zu.

In Hannover aufgewachsen absolvierte sie, wie üblich in einem bürgerlichen Umfeld das Gymnasium 1969, erlernte dann aber das Goldschmiedehandwerk und studierte Metall- und Schmuckgestaltung an der Fachhochschule Hildesheim. Als Helke Salzburg 1981 in ihrer Werkhof-Galerie Bissendorf nahe Hannover ihr erstes Symposien für Künstler vorwort-1veranstaltete, lernte ich Ulrike Hofmann-Schüll kennen. Es kam zu einem intensiven Erfahrungsaustausch, der seitdem zu einer vielfältigen Zusammenarbeit führte. Aber sie bewies schon damals einen starken Willen, denn sie ließ sich von ihren eigenen Vorgehensweisen nicht abbringen. Als sie schon ein Atelier für Schmuck in Nürnberg unterhielt, machte sie sich auf, um an der Nürnberger Kunstakademie in der Silberschmiedeklasse zu studieren: da entstand eine große Teekanne, aus der wir uns beim Symposion bedienten, die aus Silber geschmiedet fast eine Kugelform hatte, mit einer knappen Ausgusstülle.

In dem Stück wird deutlich, dass sich hier ein erstklassiges handwerkliches Können, ein sicheres Formempfinden und eine Zähigkeit gegenüber den zahllosen Arbeitsgängen zusammengefunden haben, um ein solches Werk zu vollbringen, das heute noch – ein wenig als Heiligtum - in Ulrike Hofmann-Schülls Besitz und Gebrauch ist und eine wichtige Phase ihres Werkschaffens absteckt, zu dem sich auch noch ein Studium der Kunst-, Vor- und Frühgeschichte in München gesellte.

Reicht das nicht für einen gesicherten künstlerischen Lebenslauf? In bewegten Zeiten bewegte sich auch in Ulrike Hofmann-Schüll vieles, und statt Schmuck und Gerät in klassischen Formaten zu fertigen, öffnete sie sich gewagten Experimenten, absonderlichen Ideen und eigenwilligen Demonstrationen. Bei einem Treffenvorwort-2 trug sie einen in Schichten zusammengeschweißten Kunststoffbeutel um den Hals, zwischen den Folien die unterschiedlichsten teils organischen Materialien. Eat-Art war gerade auf der dokumenta 6 in Kassel zu sehen... Dann folgten riesige, schlangenartige Strickgebilde, die sich Ulrike Hofmann-Schüll um den Hals legte, einer Eva gleich, die sich der Verführerin annahm. In allem war ein geheimer Affront gegen das Gold und Edelsteine zur Schau stellende Bürgertum, das zu einer Art Anti-Materialität oder auch grenzenloser Verwendbarkeit aller Materialien reizte. Das brachte ihr die Mitgliedschaft im Berufsverband Bildender Künstler ein. vorwort-3Sie mietete 1989 ihren ersten Messestand in Frankfurt a.M. Schließlich steht sie ihre Frau auf dem Weltkongress der Schmiede mit einer Löffelreihe, jedes Teil aus einem Stück geschmiedet. 2004 öffnete sich auch der Kontakt zu einer angesehenen Pariser Schmuckgalerie, in der ihr Schmuck dann bis 2014 vertreten war.

vorwort-4Nachdem sie sich einige Zeit mit symmetrisch-mittelpunktorientierten Kompositionen von Ringen, Broschen und Anhängern beschäftigt hatte, wendete sie sich dem Thema Halsschmuck zu. Ulrike Hofmann-Schüll rückt den jeweils blickfangenden Stein nach außen, gewinnt dadurch größere Flächen des lebendigen Silbermetalls, denen sie eigenwertige Formen gibt. Dabei nutzte sie auch die sich nun ergebende Möglichkeit, Schmuckanhänger in zwei Teile zu zerlegen, einmal mehr als Halskette, das andere Mal eher als blickbestimmende Brosche oder Halsschmuck zu tragen – gewissermaßen ein werktags Schmuck und ein feiertags Set. Das eröffnete eine neue Modellreihe mit vielen Variationsformen.

vorwort-5Zur vorwort-6Eigenart kreativer Menschen gehört, dass sie ihre Vorstellungen, Ideen und Träume nicht linear realisieren. Es mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, dass die in formbaren Materialien arbeitende Künstlerin nun plötzlich anfing zu zeichnen und zu aquarellieren. Aber Ulrike Hofmann-Schüll tat genau das. Wunderbare Landschaftseindrücke entstanden – aber keines der Bilder folgte klassischen Kompositionsregeln!

Damit nicht genug, beginnt sie eine ehrenamtliche Tätigkeit für Aidskranke. Dieses soziale Engagement bringt sie in die Nähe der von Beuys (1) verkündeten ‚Sozialen Plastik‘, denn sie gestaltete nun nicht nur Schmuck aus neuen Ideen, sondern wirkte gleichzeitig im Sozialen gestaltverändernd mit. Sie suchte offensichtlich nach Vertiefung der möglichen Interaktion mit Menschen – und fand im klassischen Heilen mit Handauflegen Erfüllung. Heilen ist ja nichts Anderes als jemanden - und vielleicht auch sich selbst - wieder auf die richtige, d.h. eigene Lebensspur zu bringen. Und so lernte Ulrike Hofmann-Schüll ihre Gestaltungskräfte in Heilungskräfte umzuleiten und machte eine Praxis für Energiearbeit in Fürth auf.

vorwort-7Wer nun denkt, dass sie diesem ‚Lebensentwurf‘ folgt und den Rest ihres Lebens damit bestreitet, irrt. Aus der Tiefe ihres Gestaltungswillens, beginnt sie eine ganz neue, andere, aufregende Schmuckform zu schaffen. Raumgreifende, unregelmäßig und frei geformte Konstruktionen aus Metallbändern entstehen. Ulrike Hofmann-Schüll überwindet dabei alle klassischen Formbegrenzungen und kommt zu postmodernen dynamischen Strukturen, in denen der Schmuckträger selbst bestimmt, wie er die großen, leichten, asymmetrischen Gebilde, in die auch leuchtende facettierte Steine integriert sind, tragen will. Statisches wandelt sich in Dynamisches, vorbestimmte Regelhaftigkeit in Möglichkeiten der Selbstentscheidung, denn das asymmetrische Gebilde lässt sich durch eigene Wahl individualisieren.

Das wirkliche Leben zu leben, dazu bedarf es aber außer dem Erfolg mit bahnbrechenden Ideen noch einer Tiefenschicht, die das Vielgelebte zu einem Ganzen zusammenbringt, das Zentrum, aus dem alle Aktivitäten sinnhaft werden. So macht die Suche nach freiem, individuell tragbarem Schmuck im Zusammenhang mit dem sozialen und heilenden Engagement plötzlich deutlich, dass die Urfunktion von Schmuck ja nicht nur das ästhetische Sich-Schmücken oder die Präsentation von Besitz und Reichtum beinhaltet. Die Urfunktion des Schmückens ist eine geistige, aus dem mythischen Grund des Seins kommende Tätigkeit, eine Formel des Zugangs zum jenseitigen Leben, als ein unmittelbarer Kontakt zum Transzendenten.

So verbinden sich für Ulrike Hofmann-Schüll die immer wieder neu angedachten Fragen der Schmuckgestaltung mit den vielschichtigen Tätigkeiten im Künstlerischen, Sozialen und Karitativen zu einer inneren Einheit, die ihren schönsten Ausdruck in der Schmuckgestaltung gefunden hat. Hier walten kein postmoderner Witz, keine Augenblickseinfälle. Wollte man am Ende eine Formel für diese vielseitige Künstlerin finden, so lässt sich sagen, dass in ihren Arbeiten und der Gestaltung ihres Lebens ein lebendiger Wechsel und eine unmittelbare Faszination dialektisch verbunden sind, um „zu finden, was man nicht weiß“ Pina Bausch (2).
Wohl an denn, auf zu Neuem!

Prof. Klaus Kowalski (3)
Leibniz Universität Hannover

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